Jahrestag der Niederschlagung des Volksaufstands
Star73 |
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 Endlich mal wieder ein Geschichtsthema! Fakt ist: Der 17. Juni war der Höhepunkt der schon ab Ende Mai in der blutjungen DDR beginnenden Arbeiterunruhen. Bernd hatte die Gründe dafür ja schon genannt. ABER: Der 17. Juni ist erst nachdem er bekannt wurde, zu dem geworden, was er heute ist, bzw. wofür er gehalten wird: ein Zeichen der Courage für die Demokratie und Bürgerfreiheit, egal ob kommunistisch oder nicht. Im Prinzip war es eher ein Arbeiteraufstand, als ein Volksaufstand. Er wurde erst zum Volksaufstand, als erstens sowjetische Panzer tragischerweise die Rebellion beenden mussten, und gleichzeitig westliche Freiheitssender, wie z.B. der RIAS, ihre Aufmerksamkeit auf die Unruhen in der DDR anzeigten. Die Symbolkraft einer solchen Tat brauch ich sicher nicht zu erklären... (immerhin wurde in der DDR der 17. Juni makabererweise und zynisch als "westlicher Spionagetrick" betitelt, während er in der BRD zum Nationaltag erhoben wurde.) Mythen und Unwahrheiten ranken sich um dieses Datum. Die wahren Ereignisse können nur noch (wenn auch subjektiv) Zeitzeugen schildern, die auch leider immer weniger werden. Ich weiß das z.B, von meinem Opa, der genau am 17. Juni 1953 zur Traktoristenschlung außerhalb seines Heimatortes war (er lebte damals in Aschersleben und musste nach Bernburg). Übrigens wurde in Bernburg damals der militärische Notstand ausgerufen (!). Überall standen sowjetische LKWs und Soldaten, ohne Passierschein ging in der Stadt GAR NIX mehr. Das muss schon heftig gewesen sein.... (eine lustige Geschichte hatte mein Opa da noch zu erzählen.....die Russen dachten, als er mit nem Jauchenhänger am Trecker durch die Stadt fuhr, es wäre irgendein giftiger Stoff, oder noch schlimmer: Schnaps (  ) drinne, und neugierigerweise mussten die netten Soldaten natürlich nachsehen....) Ich denke, man kann aus diesem Thema "17. Juni - von der Rebellion zum Appell an die Freiheit" viel draus machen  .... mfG Christoph
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kiwi1702 |
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Hallo
Hab mir grad ne Reportage auf nem öffentlich rechtlichen angesehen (ich weiß: Wahrheitsgehalt usw., aber irgendetwas wird wohl dran sein) und ich muss sagen, dass für das, was passierte, der Tag zu wenig gewürdigt wird.
Es war der Aufstand der Arbeiter, die sich mit den damaligen Zuständen (geteiltes Deutschland, Besatzung durch die Russen) nicht abfinden wollten, welcher mit schweren Waffen und roher Gewalt beendet wurde.
Hier einige Zahlen:
52 tote Zivilisten während des Aufstandes.
18 angebliche Streikleiter während des nächsten Tages standrechtlich erschossen, durch Soldaten der roten Armee.
2 ausgesprochene und durchgeführte Todesurteile durch die DDR (Enthauptung)
Desweiteren wurde direkt vor Ort an den Aufständigen "Vergeltung" (schwere körperliche Gewalt) durch die Stasi verübt.
In kurzer Zeit wurden so viele Leute verhaftet, dass die Gefängnisse nicht ausreichten.
Bereits Verurteilten wurden neue Prozesse gemacht, um härtere Strafen zu erreichen.
Und Teilnehmern des Streiks wurden, für die Stasi üblich, Steine in ihren zukünftigen Weg (gesellschaftlich wie arbeitstechnisch) gelegt.
Ich denke dieses Datum sollte genauso wie das Stauffenbergdatum oder die ersten Vorwende-Demonstrationen gewürdigt werden.
Gruß Lars
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drehmoment |
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QUOTE (kiwi1702 @ 17. Jun 2008, 20:16) |
Ich denke dieses Datum sollte genauso wie das Stauffenbergdatum oder die ersten Vorwende-Demonstrationen gewürdigt werden.
Gruß Lars |
Das denke ich auch - in den Medien passiert das -im Ansatz- auch, findet zumindest Erwähnung (man muß sich halt auch über Kleinigkeiten freuen). Es ist glaube ich viel mehr ein Problem, das es nicht mehr in unseren Köpfen ist - daher mein Anstoss... Kann da ja als Jahrgang 1970 ja eigentlich auch nicht richtig mitreden, und Christophs wie Norberts Geschichtswissen ziehen mir ohnehin immer wieder fix die Schuhe aus. In der Schule ging "Geschichte" exakt von den Ägyptern bis zum Dritten Reich und Schluss, Aus, Ende! KEINE DDR, KEIN Kniefall Willy Brands am Warschauer Ghetto, KEINE Wiederbewaffnung der jungen BRD, ... Schön dass es zumindestens bei einigen hier im Forum angekommen ist - Dankt Euch, Norbert, Christoph und Lars für die guten und wichtigen Beiträge dazu Nur das Erinnern hält uns wach! Und da schließt sich wieder der Kreis zu Lars´ Worten: "Ich denke dieses Datum sollte genauso wie das Stauffenbergdatum oder die ersten Vorwende-Demonstrationen gewürdigt werden". Bernd
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Motorradrocker |
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Ich finde, dass es mal wieder Zeit für einen neuen 17. Juni wird. Die Lebenshaltungskosten steigen unaufhörlich. Damit meine ich nicht nur die Spritpreise, die mitterweile bei über 3 Mark pro Liter liegen und Lebensmittelpreise geschweige denn Mietkosten und Strom/Wasser/Gas, sondern auch das Erzwingen von gesteigerter Produktivität in nahezu allen Branchen. Selbst im Staatsdienst sollen die Cops seit einiger Zeit fürs gleiche Geld mehr knüppeln und Geld eintreiben. Nur weil heute ein buntes hirnzersetzendes TV-Programm den Tag gestaltet, noch genug Chemofraß im Kühlschrank steht und keine Kulisse für geile Fotos mehr steht, ist es trotzdem so, dass es den Leuten (gerade den Armen, zu welchen ich mich auch zähle) immer enger wird - genauso wie 1953. Ich hab jedenfalls keine Lust mehr, nur noch für die Durchfütterung einer kleinen finanziell gutgestellten Elite zu arbeiten, ich habe auch keine Lust mehr, mich als Kritiker dieser entfesselten Misswirtschaft als Krimineller hinstellen zu lassen. Babylon muss eben brennen, wenn's freiwillig nicht geht!
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SR 2 E von 1960 KR 51/2 E von 1979 KR 51/2 E von 1984 S 50 B 2 von 1980 SR 50/1 B von 1991
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NorbertE |
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S-U, ich denke, die Meisten wären schon zufrieden, wenn der permanente Leistungsdruck und die stetige Existenzangst etwas weniger sein würde. Edit: Lars, in Einem muss ich Dich korrigieren. Es hatte nichts mit dem geteilten Deutschland und den Russen zu tun. Diese Generation, die nun den Krieg überlebt hatte, hat wirklich daran geglaubt, dass es besser werden würde. Ausgegangen ist der 17.Juni von den Bauarbeitern in der Berliner Stalinallee. Die mussten (wie alle anderen auch) den täglichen Überlebenskampf meistern ( Die Lebensmittelkarten wurden z.B. erst 57 abgeschafft), es gab nichts, Schwarzmärkte gabs mit horrenden Tauschforderungen, es ging wirklich ums tägliche Überleben. Und justamente wurden den Bauarbeitern die Leistungsnorm bei gleichem Geld hochgeschraubt. Das war eigentlich die Initialzündung zum 17.Juni!! Latent vorhanden war der Unmut schon vorneweg. Es ist vergleichbar mit des Kohls Spruch von den blühenden Landschaften zu Wendezeiten. Dort hat er sich in einem Anfall von Wahnsinn sehr weit aus dem Fenster gelehnt und ich muss sagen, ich würde ihm gern über die Brüstung helfen wollen. Letztendlich ist es immer ein Grenzgang der "Oberen", die max. Belastung des Volkes (wofür auch immer) auszutesten. Lasst es mich so sagen: Mann kann eine Feder spannen bis zu einem gewissen Punkt. Wenn man es übertreibt, reisst sie. Bei wieviel % Federspannung sind wir?
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Wenn die Sonne der Kultur tief steht, werfen auch Zwerge lange Schatten. Karl Kraus
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NorbertE |
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Adolf Hennecke oder Frieda Hockauf waren sogenannte "Aktivisten der ersten Stunde". Die haben mal eine ausserordentliche Leistung erbracht, was propagandistisch ausgeschlachtet und als Vorzeigemodell hingestellt wurde. Die hatten also Beispielcharakter und nach denen wurden dann später auch Kollektive/Brigaden benannt. Frieda Hockauf hat z.B. mal einen ganzen Tag keinen Ausschuss fabriziert  davon kam auch der Spruch "Meine Hand für mein Produkt". Den Arbeitsplatz des "Normers" gab es. Heute würde man es wohl mit dem Controlling gleichsetzen können. Der Normer schlich durch den Betrieb und passte quasi die Normen ständig an. Er war nirgendwo ein gern gesehener Gast.
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