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> Fahrradverkauf in der DDR, Historisches
mulchhüpfer
Geschrieben am: 16.08.2016, 16:07
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Fahrradprospekte gab es zumindest ab den 1960ern ja meist nur für Messen etc. Ich frage mich, auf welche Weise man sich damals über die aktuelle Angebotspalette an Fahrrädern informieren konnte. Oder, auf welche Weise zumindest die Fahrrad-Reparaturläden und Verkaufsstellen informiert wurden. Die müssen ja irgendwoher gewusst haben, was man bestellen kann und was nicht. Existierten da Bestelllisten, hat so etwas schon mal jemand gesehen? Bei Autos und Mopeds wurden neue Modelle ja wenigstens in Fernsehfunk und Autozeitungen vorgestellt...

Bei der Warenverteilung lief ja einiges seltsam damals. Teilweise wurden Dinge produziert, von denen keiner im Handel wusste, dass es sie gibt, weshalb sie auch nicht bestellt wurden und der Betrieb auf seiner Ware sitzenblieb und die Produktion wieder einstellte weil er davon ausging, dass keine Nachfrage besteht. Was aber gar nicht stimmte... So ein Fall wurde irgendwann mal im Deutschen Straßenverkehr aufgerollt, als die Redaktion der Frage nachging, warum keine Motorradbekleidung im Handel erhältlich ist, obwohl der Produzent gemeldet hatte, den Bedarf übererfüllt zu haben laugh.gif

Sollte mich nicht wundern, wenn es im Fahrradsektor teilweise auch so lief. Aber dass es wirklich gar keine Kataloge wenigstens für die HO-Einzelhändler gab, kann ich mir kaum vorstellen. Das wäre ja echt sehr schräg. Und falls es sie doch gab - wo sind sie geblieben? hmm.gif


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mulchhüpfer
Geschrieben am: 17.08.2016, 08:56
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Also in der DDR-Wirtschaft muss man ja mit allem rechnen. Ich würde es nicht ausschließen, dass die Einzelhändler gar nicht nach "Bedarf" etc. gefragt wurden weil sowieso klar war dass jedes Rad das in den Laden kommt, zeitnah verkauft werden wird. Und die verfügbaren Fahrradmodelle wurden dann halt mehr oder weniger willkürlich an diese oder jene Verkaufsstelle verteilt. Sodass es dann mal im Dorfe plötzlich hieß "es gibt gerade Fahrräder!". Und jeder ging eines kaufen der eines bekam, egal ob er gerade wirklich eines brauchte oder nicht. So oder so ähnlich wird es ja immer erzählt, wenn man sich auf Erfahrungsberichte stützt.
Es kennt hier nicht zufällig jemand eine Person die damals in ner HO gearbeitet hat?

Für Werkstätten sind Bestelllisten für Ersatzteile belegt, wobei auch das soweit ich weiß nicht über Kataloge lief. Und weil sowieso oft viel mehr bestellt wurde als benötigt (da erwartet wurde dass eh nur ein Bruchteil davon wirklich geliefert wird), bekam der Handel auch dort nicht wirklich ein Feedback über den realen Bedarf. Eine Bekannte die im Lebensmittelverkauf arbeitete meinte, bei "Ananas"z.b. wurde irgendwann gar kein Bedarf mehr eingetragen, weil man keine Lust mehr hatte ständig etwas zu bestellen was nur selten wirklich geliefert wurde... also alles ziemlich schizophren.

Wie auch immer, es ist schon krass, wie es möglich war, 40 Jahre lang offensichtliche Fehlfunktionen einer Wirtschaftsstruktur einfachmal zu ignorieren (ok, heute fragt man sich auch manchmal ob das alles ein Witz sein soil, aber das ist ein anderes Thema). Ich würde nicht behaupten, dass es ein Problem des staatlichen Eigentums oder fehlender Konkurrenz war. Problem war, dass man aus ideologisch-theoretischen Gründen der Auffassung war, alle Preise zentral festlegen zu müssen. Das ist schon deshalb eine völlig abwegige Überlegung, weil der realistische Preis einer Ware immer auch von seiner aktuellen Verfügbarkeit an Ort x in Menge y abhängt. Das wurde zwangsläufig ignoriert, weil man so etwas zentral gar nicht erfassen/steuern kann.
Später, als klar wurde dass das eine irre Sache ist, traute man sich nicht mehr zurück, weil man damit den scheinbaren Wohlstand der Leute massiv verringert hätte. Dann hätte ein Sportrad eben plötzlich nicht 350, sondern vielleicht 950 Mark gekostet. Und ein Trabi 30.000 Mark - etwa dort lag jedenfalls der Schwarzmarktpreis für Neuwagen ohne Wartezeit. Aber nur mit dieser freien Preisbestimmung wäre man zu der Möglichkeit gekommen, Ware x zum Zeitpunkt y in Menge z prinzipiell verfügbar und somit eine reaktionsfähige Wirtschaft zu haben! Dadruch wäre nicht nur das, was es eben gab, sinnvoller beim Verbraucher angekommen. Es hätte auch die Produktion selbst belebt, weil dieses Handelsproblem natürlich auch innerhalb der Produktion selbst bestand. Für diese Änderung hätte man längst den Sozialismus nicht aufgeben müssen, aber ich sag jetzt mal lachs, die waren anscheinend bisschen blöde im Hirn und mangels Demokratie konnte auch keiner Feuer unterm Arsch machen.

Die "Angst" der Theoretiker war ja, dass flexible Preise dazu führen, dass sich Halsabschneider über Spekulation und Trickserie an zu niedrigen oder zu hohen Preisen bereichern. Und somit den Arbeiter ausbeuten. Diese Gefahr war in der DDR aber aufgrund der Eigentumsverhältnisse sowieso nicht vorhanden! Erzielte Gewinne der Einzelhändler waren ja nicht deren Privatvermögen, sondern staatliches Eigentum, wären also direkt zurückgeflossen.
Aber nein... _uhm.gif


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docralle
Geschrieben am: 17.08.2016, 10:33
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Also ich kann mich noch an meine Einkäufe in der Schmelzhüttenstrasse erinnern, das meiste, was man brauchte zum Fahrradfahren, war zwar da, aber nicht alles. Die Favorit war schon sowas wie Bückware. Fahrräder standen auch genügend in der Verkaufsstelle, man konnte sich sogar eines unter den roten und grünen aussuchen. Mein erstes Diamant aber hatte ich gebraucht gekauft, für nur 10 DDR-Mark. Das war Silbergraumetallic und hatte keine Schaltung. Der Rücktritt war fällig. Auf dem Schrottplatz fand ich nicht nur einen brauchbaren Rücktritt, sondern auch eine der begehrten Freilaufnaben mit 5fach-Ritzel für hinten. Nur wenn es knapp mit dem Reifen war, wurden Reifenstücke in die Reifen eingelegt. Ich habe auch schon 28er-Schläuche aus einem 26er rausgeholt.


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Geduld ist etwas, was einem weiterbringt.

1986-2016 Der Roller wird 30
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1 Mifa Universal (510); 1 Mifa Klappi (904) und 2 schöne Diamantfahräder....


Gruß Ralle
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mulchhüpfer
Geschrieben am: 21.08.2016, 18:31
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Ansprechpartner Nr.1 dazu (Jeeves) hat mir etwas dazu geschrieben. Zumindest bis in die 1960er jahre gab es durchaus Kataloge (DHZ, GHG, IFA). Teilweise wurden wohl auch später Fahrräder direkt über den IFA-Vertrieb verkauft, dieser besaß zumindest tabellarische Listen. Zu Konsum- und HO (wo meineswissens die Mehrzahl der Fahrräder verkauft wurde) konnte er aber auch keine Angaben machen, wie das dort lief. Private Händler durften zumindest in den 1980ern nur Fahrradteile- aber keine kompletten Fahrräder verkaufen.

@docralle: Dann hattest du offenbar Glück, denn derart gut ausgestattete Verkaufsstellen waren damals offenbar Raritäten. Jeeves hat noch ein 1990er Artikel über "Fahrrad Linke" (Inh. Esch) geschickt, dieser verschaffte sich eine direkte Bezugsmöglichkeit der Teile aus der Produktion (war normalerweise nicht möglich), sodass er zu den wenigen zählte wo immer relativ viel Ware vorrätig war. dem Artikel zufolge hätten die Wartezeiten auf eine Fahrradreparatur oft 8 Wochen betragen. Was allerdings zumindest mit den Erinnerungen meiner Eltern nicht übereinstimmt... es war eben hier so und dort so, kann man sicherlich nicht verallgemeinern. Mein Opa musste jedemfalls (obwohl er Arzt war) mehrere Jahre drauf warten ehe er 1965 endlich ein Sportrad erhielt (Modell oder gar Lackierung konnte er sich dabei nicht aussuchen). Kann schon sein dass die Versorgung nach Aufnahme der zusätzlichen Klappradproduktion etwas besser wurde. Auf jeden Fall liefs ingesamt alles ziemlich Sch**** und worin ich eine wesentliche Ursache dafür sehe, habe ich bereits formuliert.

Aber es gibt sicherlich auch Leute die es schwarzmalen. Es wurden immerhin millionenfach Fahrräder produziert, die ja irgendjemand gekauft haben muss...


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Carl Meutzner
Geschrieben am: 21.08.2016, 22:24
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In alten Katalogen aus den 50ern und 60ern ist ja immer wieder zu lesen, dass dieses oder jenes Modell auf Wunsch auch in anderen Ausstattungen geliefert werden kann bzw. Sonderausstattungen möglich sind. Dafür solle man sich vertrauensvoll an den Fachhandel, also HO oder Konsum, wenden.
Wie sollte das dann gehen? Da hätte man ja bei eine direkte Abteilung Sonderwünsche in den Werken haben müssen, die in Kontakt mit den Verkaufsstellen stand. biggrin.gif
Und ob das überhaupt funktioniert hat bezweifele ich. Wenn dann nur bei Leuten die gute Kontakte zum Werk hattenn oder die arbeiteten...


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Hubraum statt Wohnraum.

Meine Sammlung: Mittlerweile viel zu viele Möven um sie alle aufzuzählen...
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mulchhüpfer
Geschrieben am: 22.08.2016, 10:58
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QUOTE (Carl Meutzner @ 21.08.2016, 22:24)
Und ob das überhaupt funktioniert hat bezweifele ich. Wenn dann nur bei Leuten die gute Kontakte zum Werk hattenn oder die arbeiteten...

Wahrscheinlich war es anfangs mal so gedacht gewesen. Auch mit den Katalogen anfangs, wo also Kunden oder Einzelhändler sich über das Angebot informieren und gezielt etwas bestimmtes bestellen konnten. Irgendwann hatte man dann sicherlich eingesehen, dass sowas keinen Sinn macht, wenn 90% der Dinge die im Katalog stehen, kurzfristig nicht lieferbar sind.
Aber es war immer auch eine Frage des persönlichen Engagements. Wenn man wirklich unbedingt wollte, ging natürlich auch was, siehe Fahrrad Linke in Berlin. Es gab auch in der DDR Professoren, die ständig im Westen unterwegs waren und kein SED-Mitglied waren (z.b. der Molekularbiologe Erhard Geißler), oder meine Großeltern hatten sich für 1970-1973 einen Aufenthalt im Irak verschafft. Meine Oma verkaufte dort W50, mein Opa war als Archtekt tätig, dabei verdienten sie gut Dollars. Keiner von beiden war Parteimitglied, Stasi o.ä. Grund war einfach meine nervige Oma, die den Behörden so lange auf den Senkel ging, bis man sie das endlich machen ließ. Sie erreichte sogar, dass man ihnen den neuen Wartburg Tourist per Zug in den Irak hinterherschickte. Das war damals noch ein Auto auf das man stolz war. Die Sandstürme und Hitzewellen dort hatte der Warti übrigens gut überstanden, da gibts noch Hammer Fotos wo die da durch Bagdad und Kurdistan gurken mit dem. Muss ich mal digitalisieren...


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