Restauration Wanderer 1 SP aus den 1930er Jahren, mit Fichtel und Sachs 98ccm Motor

[Andi93]

Mahlzeit und schönen Sonntag an alle.
Gestern hat mir ein sehr guter Freund seine Wanderer vorbei gebracht, damit ich sie wieder in einen fahrbereiten Zustand versetze. Sie lief mindestens seit den 80er Jahren nicht mehr. Der Motor wird regeneriert, die Technik instandgesetzt und die Optik soll aber erhalten bleiben. Also sauber machen und Owatrol drauf.
Das ist für mich komplettes Neuland aber ich freue mich schon sehr auf dieses Projekt.

Aber erstmal ein paar Fotos vom Ausgangszustand:

Angefügtes Bild

[Andi93]

Noch mehr:

Angefügtes Bild

[Andi93]

Und vom Motor:

Angefügtes Bild

[Andi93]

Dann hätte ich die ersten Fragen an die Experten:

1. Lässt sich aus der FIN das Baujahr herleiten?

2. Welche (Online)shops sind empfehlenswert? Viele Sachen hab ich bereits bei Motorrad Meister Milz in Pirna gefunden.

Es werden sicher noch weitere Fragen folgen.

[ENIGMA]

Glückwunsch, Andi! Eine tolle Wahl hast du da getroffen.
Auch ich bin auf ein "Wanderer" 1Sport unterwegs, meines ist auch noch ähnlich erhalten wie Deines, aber ich hatte das Glück, ein vollständiges Fahrzeug von 1939 aus zweiter Hand bekommen.

"Wer ein Wanderer wählt, fährt Glücklich! " ....so ein Werbespruch der Wanderer Werke, Stimmt! .....

Das Baujahr bekommst Du zB. auch über deine F & S Hinterrad Rücktrittnabe heraus, das ist ein Stempel mit 2 Zahlen eingepresst, das ist das Herstellungsjahr der Bremse und zu 99% Deckungsgleich mit dem Baujahr des Fahrwerks.

Auch bei der Vorderradnabe ist entweder in der Mitte der Halbnabe oder innenseitig eine Prägung. In der Regel sind es meist die Originalen Bauteile, falls die Vorbesitzer sie nicht schon mal getauscht haben.

Ich sehe, Du hast noch keine Geländerfedergabel, das muss ein frühes Modell des 1Sport zu sein, 1937-38 vermutlich.
Die Basis ist ganz gut, lass bitte den Lack so, er ist für uber 80 jahre authentisch und hat Jahrzehnte Geschichte überstanden, das hat seinen Reiz und ist wertvoller als eine restaurierte Glitzerkiste.
Aber das ist meine Meinung.

Ich kann dir gerne viele Tips und Ratschläge geben, inzwischen habe ich viel über das Modell Informationen und jede Menge Werbe Lektüre angesammelt, ich bin echt verknallt in das 1Sport Fahrzeug, verrückt, oder ?

Schwierig ist nicht Fichtel Sachs Teile zu bekommen, sondern die Fahrzeug Spezifischen Teile, alles was mit Fahrwerk, Technik und Zubehör zu tun hat.
Einiges habe ich auch da.

Motorrad Milz ist eine gute Adresse für Neuteile, es gibt auch andere, aber billig ist da leider keiner.
Ich kenne aber auch Leute, die Dir eventuell mit Teilen weiterhelfen können, und bei Fachfragen, einfach mich fragen.
VLG Enrico

Angefügtes Bild

[ENIGMA]

Kleine Geschichtsstunde mit Tip:

Dein unvollständiger Scheinwerfer ist von der Firma HASAG als einer der Zulieferer für Fahrzeugelektrik.
Diese hatte bis 1945 leider eine echt düsterne Vergangenheit mit Zwangsarbeitern und sogar eigenen KZ Lagern für Ihr Werk.

Den originalen Scheinwerferring und ein 130mm Glas zu bekommen, ist enorm schwer, weil sie nach 1945 einfach nicht mehr existierte. Der Grund liegt nahe, sie wurden veruteilt und zerschlagen.

Du kannst aber auch eines von der Firma HELLA nehmen, die gibt es zu Hauf, die Glasgröße passt genauso, beim Haltering bin ich nicht ganz sicher. Es gibt aber wirklich gute Nachbauten von 130mm Lampenringen.

Deine Lichtmaschine kam von der Firma Bosch

Bedeutet, nicht alles am Fahrzeug ist von den Wanderer Werken hergestellt worden.
Es sollte ein preiswertes Fahrzeug für jedermann sein, und deshalb bediente man sich bei verschiedenen Zulieferern.
Je nach ausgehandelten Verträgen konnte das jedes Jahr ganz andere Firmen gewesen sein, mit Ausnahme des Motors von Fichtel Sachs sowie der Firma ILO (2Sp) .

Und weil Wanderer der größte Abnehmer mit hunderttausenden von 74ccm u. 98ccm Motoren bei F&S war, wurde nur für Wanderer das Emblem auf der Polradkappe Grün lackiert, das gab es sonst bei keinem der über 60 Hersteller in Deutschland für Motorfahrräder in den 30er Jahren, die sonst Blau gehalten waren

[Otto]

Ich mache mal bei der Geschichtsstunde weiter. Die HASAG war die größte Munitionsfirma im Deutschen Reich. Ursprünglich als Lampenfirma gegründet, war das am Ende nur noch ein verschwindend kleiner Teil der Firma. Die Firma hat hauptsächlich in Ostthüringen und Westsachsen gearbeitet. Meuselwitz, Altenburg und Leipzig. Auf dem ehemaligen Firmengelände in Leipzig steht jetzt das UZF (Umweltforschungszentrum). Auf dem Gelände wurde die deutsche Panzerfaust erfunden, entwickelt, getestet und produziert. Der Chef der Firma war Wilhelm Renner. Ein echter Nazi. Im Mai 45 sind die Renners nicht mehr aus Leipzig raus gekommen und den Russen in die Hände gefallen. Die 13 jährige Tochter Hannelore wurde von den Russen kaputtvergewaltigt. Sie wurde später in Westdeutschland die erste Ehefrau von Helmuth Kohl, sie ist zeitlebens körperlich und seelisch nicht darüber hinweggekommen. Sie konnte auch nie den Russen verzeihen, sie hat ihren Mann nie auf seinen Reisen in die UdSSR und nach Russland begleitet. Ihre seltene Krankheit und Selbstmord sind vermutlich ursächlich auch mit auf die Erlebnisse zum Kriegsende zurückzuführen.

Die Geschäftsführer und Stammpersonal der HASAG haben nach dem Krieg und der Wiederbewaffnung von Westdeutschland dort unter dem Namen Heckler und Koch weitergemacht. Lampen oder KFZ-Elektrik haben die aber nicht wieder produziert.